Aufhebungsvertrag

Ein Arbeitsverhältnis kann nicht nur durch eine Kündigung sondern auch durch einen Aufhebungsvertrag beendet werden.  Der Arbeitnehmer verzichtet auf seinen gesetzlichen   Kündigungsschutz und möglicher Weise auch auf die Einhaltung von Kündigungsfristen, was dem Arbeitgeber die Zahlung einer Abfindung wert ist.

Drohende Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld

In all diesen Fällen ist aber höchste Vorsicht geboten, wenn der Arbeitnehmer anschließend Arbeitslosengeld beziehen möchte. Die Bundesagentur für Arbeit geht regelmäßig davon aus, dass der Arbeitnehmer im Fall eines Aufhebungsvertrages seine “Arbeitslosigkeit” bzw. Beschäftigungslosigkeit selber (mit-)herbeigeführt hat (BSozG, NZA 87,100) und verhängt eine Sperrzeit (§§ 144 III, 128 III SGB III).
Ausnahmen gelten sofern ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorlag. Das kann der Fall sein, wenn
die Nachteile einer arbeitgeberseitigen Kündigung für das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers oder vergleichbare Nachteile verhindert werden sollen oder wenn
eine Kündigung ohnehin nicht abwendbar wäre (etwa bei einem leitenden Angestellten). Ein wichtiger Grund liegt ferner vor, wenn der Arbeitsgeber mit einer objektiv rechtmäßigen betriebsbedingten Kündigung gedroht hat.

Ein entsprechender Nachweis wird dem Arbeitnehmer nicht immer gelingen. Denn allein das Interesse des Arbeitnehmers, eine Abfindung zu erhalten, ist nicht geeignet, die Annahme eines wichtigen Grundes zu rechtfertigen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17.11.2005,B 11a/11 AL 69/04 R(Rn 20), Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 22.06.2012, L 7 AL 186/11; Urteil von 21.05.2010, L 7 AL 108/09 (Rn 34)), es müssen noch weitere Umstände hinzutreten. Andererseits ist es nicht zu beanstanden, wenn im Falle einer drohenden betriebsbedingten Kündigung der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag abschließt, in dem die Zahlung einer Abfindung entsprechend der Regelung des § 1a Kündigungsschutzgesetz vereinbart ist (BSG, Urteil vom 02.05.2012, B 11 AL 6/11 R).

Rechtsprechung zur Sperre bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages finden Sie hier

Beginn der Sperrzeit

Ist eine Sperrzeit verhängt worden, so stellt sich die weitere Frage, ab wann die Sperrzeit gerechnet wird. Die Sperrzeit beginnt nicht notwendiger Weise mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern mit dem Beginn der Beschäftigungslosigkeit. Die Zeitpunkte müssen nicht unbedingt zusammenfallen. Wurde der Arbeitnehmer unter Fortzahlung seiner Bezüge  “unwiderruflich” von seiner Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleitung freigestellt, so beginnt die Sperrzeit bereits mit der Freistellung (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17.11.2005, B 11a/11 AL 69/04 R (Rn 10). Die unwiderrufliche Freistellung muss nicht notwendiger Weise im Aufhebungsvertrag festgehalten sein, sie kann auch nachträglich erklärt werden. Im Übrigen kann sich eine unwiderrufliche Freistellung aus den Gesamtumständen ergeben. Erfolgt etwa die Freistellung unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen, so kann von einer unwiderruflichen Freistellung ausgegangen werden (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.03.2006, 9 AZR 11/05 (Rn 18)).
Ferner ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn sich der Arbeitnehmer vorzeitig in die Beschäftigungslosigkeit begeben hat, § 143a SGB III (also geltende Kündigungsfristen nicht beachtet wurden). Es verkürzt sich dadurch der Zeitraum für den Bezug von Arbeitslosengeld.

Aufhebungsvertrag in der Insolvenz

Besondere Vorsicht ist bei einer drohenden Insolvenz des Arbeitgebers geboten. Der Arbeitnehmer muss nämlich damit rechnen, seinen Arbeitsplatz aufgrund des Aufhebungsvertrages zu verlieren, ohne die im Gegenzug vereinbarte Abfindung tatsächlich zu erhalten. Wird nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Abfindung nicht mehr gezahlt, so besteht jedenfalls kein gesetzliches Rücktrittsrecht gemäß § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB (BAG, Urteil vom 10.11.2011, 6 AZR 357/10 – Rn. 21 ff.; BAG, Urteil vom 10.11.2011, 6 AZR 342/10 – Rn. 22).

Der Grund liegt darin, dass der Arbeitnehmer im Moment der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages bereits der Auflösung des Arbeitsvertrages zugestimmt hat – er geht in Vorleistung. Umgekehrt wird die Abfindung aber regelmäßig erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig. Dazwischen liegt je nach Art der Vertragsgestaltung die laufende Kündigungsfrist, also oftmals einige Monate Zeit, in denen sich die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers verschlechtern kann. Spätestens nach der Eröffnung des Inslovenzverfahrens können jedoch nicht mehr einzelne Gläubiger durch Zahlung einer Abfindung bevorzugt werden. Aus Sicht des Arbeitnehmers ist die Abfindungszahlung im Sinne von § 323 BGB  nicht mehr durchsetzbar (BAG, Urteil vom 10.11.2011, 6 AZR 357/10 – Rn. 24 f.).

Kurz gesagt: Der Arbeitsnehmer trägt beim Aufhebungsvertrag das Insolvenzrisiko seines Arbeitgebers.

Möglicher Weise kann dem Arbeitnehmer in einer solchen Situation durch Vereinbarung einer „auflösenden Bedingung“ zumindest der Arbeitsplatz „erhalten“ werden, wenn er schon keine Abfindung erhält. Ob die Arbeitsgerichte eine solche Ausgestaltung von Aufhebungsverträgen akzeptieren werden, bleibt abzuwarten. Für den umgekehrten Fall ist zumindest anerkannt, dass die Abfindung nur dann geschuldet wird, wenn das Arbeitsverhältnis in der Schwebezeit nicht noch durch eine fristlose Kündigung beendet wird. Denn:

Zusage einer Abfindung – aufschiebende Bedingung im Aufhebungsvertrag

Die Zusage der Zahlung einer Abfindung steht nach allgemeiner Auffassung unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Aufhebungsvertrag und nicht mit einer fristlosen Kündigung sein Ende findet (BAG,  Urteil vom 10.11.2011, 6 AZR 342/10 – Rn. 21; BAG, Urteil vom 05.04.2001 – 2 AZR 217/00). Das gilt selbst dann, wenn im Aufhebungsvertrag dazu nichts ausdrücklich vereinbart worden ist. Hat also der Arbeitgeber nach Abschluss des Aufhebungsvertrages Anlass, seinem Arbeitnehmer fristlos zu kündigen, so muss er auch die bereits zugesagte Abfindung nicht mehr zahlen. Eine mit Aufhebungsvertrag erfolgte Freistellung des Arbeitnehmers von der Erbringung seiner Arbeitspflicht steht einer solchen nachgeschobenen fristlosen Kündigung nicht entgegen (LAG Frankfurt, Urteil vom 29.08.2011, 7 Sa 248/11 – Rn. 61).

Schriftform für den Aufhebungsvertrag

Ein Aufhebungsvertrag bedarf stets der Schriftform, weil er zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen soll, was schriftformbedürftig ist, § 623 BGB.

Abwicklungsvertrag

Ein Abwicklungsvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass bereits eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen worden ist. Der Abwicklungsvertrag regelt somit “nur” die Folgen und Modalitäten der Kündigung. Aber auch im Rahmen eines Abwicklungsvertrages (und selbst bei Abschluss eines Vergleichs im Kündigungsschutzprozess) ist Vorsicht geboten.

In diesen Fällen droht immer dann eine Sperrzeit, wenn erst die vermeintliche Abwicklungsvereinbarung zur wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat – der Abwicklungsvertrag in Wahrheit ein Aufhebungsvertrag ist. Zwar ist der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, nach Ausspruch einer Kündigung aktiv zu werden, um keine Sperrzeit zu riskieren, folglich kann ihm auch kein Vorwurf gemacht werden, wenn er eine dennoch erhobene Kündigungsschutzklage durch Abschluss einer Vereinbarung (Abwicklungsvertrag / Prozessvergleich) beendet (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17.10.2007, B 11a AL 51/06 R (RN 37)).

Etwas anderes gilt jedoch, wenn das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung gar nicht beendet werden konnte, etwa weil der Arbeitnehmer aufgrund tarifvertraglicher Bestimmungen unkündbar war oder es an einer Anhörung des Betriebsrates gefehlt hat. In diesen Fall  handelt es sich um eine “konstitutiv beendende Vereinbarung” die zu Lasten der Versichertengemeinschaft geht. Deshalb fehlt es womöglich an einem wichtigen Grund für das Lösen vom Arbeitsvertrag was folglich eine Sperrzeit auslösen würde (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17.10.2007, B 11a AL 51/06 R (RN 31 ff.)). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles.

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